Ich habe so einen Muskelkater in den Waden. Wahrscheinlich von dem langen Abstieg vorgestern. Aber das wird schon, wenn meine Beine wieder warm gelaufen sind.

Nachdem ich mich gestern ein bisschen über den hohen Preis im Karl-Ludwig-Haus aufgeregt habe, muss ich fairerweise noch dazu schreiben, dass das Frühstück inklusive ist. Ich finde es zwar trotzdem blöd, dass man das Frühstück mit bezahlen muss, auch wenn man es nicht haben möchte, aber jetzt ist es eben so. Und da es für ein Hütten-Frühstück ziemlich luxuriös ist, esse ich dann doch ein bisschen was. Es gibt nämlich frisches Obst, Müsli mit extra Kernen, Leinsamen und Datteln und Brot mit einer großen Auswahl an vegetarischen und veganen Aufstrichen. Außerdem Orangen und eine Saftpresse. Also schon was besonderes.

Gut gestärkt gehe ich dann auch erst gegen halb 9 los. Aber da ich heute Nacht draußen schlafen möchte, habe ich sowieso mehr als genug Zeit.

Bei herrlichem Wetter mache ich zuerst noch einen Schlenker am Raxkircherl, unweit der Hütte, vorbei.

Dann geht es weiter auf die Heukuppe. Ein Wiesen-Buckel mit Heldendenkmal. Es wurde 1926 zu Ehren der im ersten Weltkrieg gefallenen Opfer errichtet. Es ist so windig hier oben. Zwischendurch stehe ich in einer Wolke, dann kann ich wieder ins Tal hinabschauen.

Es sieht lustig aus, wie die Wolkenfetzen um mich herum schwirren. Wie in einer Traumblase. Allerdings verstecke ich mich dann schnell hinter dem Denkmal. Auf der Windseite ist noch ein großes Schneefeld und der Wind weht immer wieder kleine Eisbrocken über den Kamm. Die möchte ich lieber nicht abbekommen.

Als ich dann so an dem Denkmal stehe und die Welt um mich herum betrachte, überkommt mich ein riesiges Glücksgefühl. Ich liebe es in den Bergen, ich fühle mich völlig frei, ich lebe im Moment so ein einfaches Leben. Alles ist perfekt. Erst denke ich, dass meine Augen von dem starken Wind tränen, aber es ist tatsächlich ein Glückstränchen.

Weiter geht es über Wiesen und durch Felder mit Latschen. Es folgt ein längerer Abstieg. Ich kann mein Ziel in der Ferne schon sehen.

Zuerst heißt es aber nochmal Konzentration. Über den seilgesicherten Gamsecksteig geht es die Felsen steil hinab. Da muss ich zwischendurch schon ziemlich puzzeln, wie ich meine Füße setze. Hoch ist immer einfacher als runter. So Stellen, wo man rückwärts runter muss, weil es zu steil ist, da vorwärts hinab zu klettern, mag ich ja gar nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit und noch ein paar senkrechten Leitern und steilen Geröllfeldern, ist es geschafft. Gut, dass es hier ruhig ist und mir niemand entgegen gekommen ist.

Über den Nasskamm geht es danach ganz entspannt weiter hinab. Über Wiesenpfade und breite Forstwege. Mit schönem Ausblick.

Über den Ochsenboden dann in engen Kehren wieder steil hinauf. Allerdings nicht lange. Es folgt ein richtig schöner Weg über Wiesen bis zur Lurgbauerhütte. Das Schneealpenhaus mit seinem leuchtend roten Dach kann man auch schon gut erkennen. Selbst von der Heukuppe heute morgen habe ich es schon gesehen.

Bis dahin folge ich einer Schotterstraße. Ich wundere mich, was hier mit den Latschen passiert. Es sind einige Leute mit Motorsäge an den Hängen unterwegs und andere, die die abgesägten Äste zu großen Haufen zusammentragen. Am Schneealpenhaus erfahre ich, dass es hier Tradition ist, sie zur Sommersonnenwende anzuzünden und am Lagerfeuer zu feiern. Wobei die Feuer wegen des starken Windes hier oben schon einige Male abgesagt werden mussten.

Da es erst früher Nachmittag ist und ich mir nicht weit von hier einen Schlafplatz suchen will, verbringe ich den Nachmittag ganz entspannt auf der schönen Terrasse der Hütte. Es gibt leckere Curry-Linsen mit Knödel und mein erstes Stück Kuchen nach dem Fasten. Ich bin ganz positiv überrascht, wie viele Hütten inzwischen mindestens ein vegetarisches und veganes Gericht auf der Karte haben. Und hier ist es auch gleich das Bergsteigeressen. Alle Alpenvereins-Hütten müssen ein solches Gericht anbieten, was für Mitglieder nicht mehr als 9 Euro kosten darf. Und das sind meist ordentliche Portionen, damit auch der fleißige Wanderer satt wird. Eine gute Sache!

Nette Unterhaltung habe ich dann auch noch. Ein 83-jähriger, noch super fiter Herr erzählt mir von seinen Reisen in die libysche Wüste. Dann gesellen sich zwei Männer und eine Frau, die ich heute morgen im Karl-Ludwig-Haus schon getroffen habe, zu uns. Sie erzählen von einer Skitour mit geplantem Stopp in der Monte Rosa Hütte auf knapp 2900 Metern Höhe, die aber trotz Reservierung dann einfach geschlossen war. Das ist schlecht, wenn man nichts zu essen oder genügend warme Sachen dabei hat, um im Winterraum zu übernachten.

Am frühen Abend mache ich mich wieder auf den Weg, um noch auf den Windberg auf 1903 Metern zu steigen. Das sind nicht mal mehr 200 Höhenmeter, quasi ein kleiner Spaziergang über die Kuhweiden der Michlbauerhütte und den Grashügel hinauf.

Noch ein Stück weiter, etwas unterhalb vom Gipfel, mache ich mich auf die Suche nach einem möglichst windgeschützten Platz zum Schlafen. Hinter einem kleinen Hügel, in einer Grasmulde, werde ich auch schnell fündig. Jetzt heißt es aber noch warten, dass die Sonne untergeht. Da der Windberg nicht weit von den Hütten entfernt und super zum Sonnenuntergang anschauen geeignet ist, habe ich schon im Gefühl, dass da später noch Menschen auftauchen. Und tatsächlich, gleich eine ganze Gruppe. Deswegen schlage ich mein Lager erst gegen halb 10 auf. Vorher wird gekocht, gegessen und Tee getrunken. Ich liege im Gras und beobachte ein paar Gämsen, die aber großen Abstand halten. Sie sind scheuer als Steinböcke.


16,3 km
6:30 h
1079 hm
991 hm
2004 m