Heute geht‘s vom Vorharz ganz in den Harz, ich freue mich schon. Ich werde noch zum Frühstück eingeladen, gehe aber lieber direkt los. Ich frühstücke ja sowieso nicht, sondern esse nur mittags und abends.

Der Weg bis nach Wernigerode ist heute allerdings wieder recht langweilig. Es geht durch Felder, ziemlich lange geradeaus, immer über zwei Asphaltstreifen.

Ich freue mich über die Wolken am Himmel. Trotzdem ist es sehr warm. Zur Pause, mit Blick auf den Brocken, kommt dann auch die Sonne wieder raus.

Nachdem ich die A36 überquert habe und über den Lustberg gegangen bin, kann ich auf Wernigerode gucken. Auf der anderen Seite sehe ich das Schloss Wernigerode.

Knapp 3 Stunden sind es bis in die Innenstadt. Ich suche mir ein Café, entspanne die Füße, trinke einen Tee und überlege, wohin ich heute noch gehe.

Mit dem Café Wien habe ich scheinbar einen echtes Highlight Wernigerodes gefunden. Das Haus wurde im 16. Jahrhundert gebaut und ist richtig gemütlich eingerichtet. Bei klassischer Musik kann man sich hier die Torte schmecken lassen. Zweimal kommen Leute herein, die sich einfach nur mal das Café angucken wollen.

Aber zurück zur Frage: Wohin?

Eine Option ist ein Campingplatz direkt hinter dem Ort, wo ich in 50 Minuten wäre. Dann hätte ich morgen eine kurze Etappe nach Elbingerode mit nur 10 Kilometer. Die andere Option wäre direkt nach Elbingerode zu gehen, dann hätte ich noch 2 Stunden Gehzeit.

Je länger ich allerdings in dem Café sitze, desto mehr reift der Gedanke, doch über den Brocken zu gehen. Ich würde so gerne! Ich dachte, der Berg wäre noch viel weiter entfernt, aber es sind tatsächlich „nur” noch 16 Kilometer. Also vielleicht doch mal eben auf 1141 Meter hochgehen? Soll ich – oder nicht? Hey Füße, seid ihr dabei?

Das Ergebnis: Schuhe neu geschnürt, Trinkblase nochmal aufgefüllt und los geht‘s 😉 Wir haben jetzt 16 Uhr, mal sehen, wie weit ich noch komme. Irgendwo werde ich schon ein Plätzchen zum Schlafen finden, das Brockenhotel am Gipfel ist mir nämlich definitiv zu teuer mit 70 Euro für ein Bett im Mehrbettzimmer. Vielleicht kann ich ja morgen früh den Sonnenaufgang von oben beobachten. Ich bin plötzlich ganz aufgeregt! Ist vielleicht auch ganz gut, jetzt liegen nämlich noch 900 Höhenmeter vor mir.

Das schöne Städtchen und das Schloss sind jetzt unwichtig, der Berg ruft mich. Nur noch ein schnelles Foto im Vorbeigehen.

Aus Wernigerode raus gehe ich erstmal durch Wohngebiet, immer entlang der Gleise der Brockenbahn. Das neue Adrenalin scheint sogar meine schmerzenden Füße zu betäuben. Irgendwann kommt dann ein Abzweig in den Wald und der Spaß beginnt.

Mit voller Gurkenpower geht es hinauf.

Mein Weg führt über die Steinerne Renne, den Höllenstieg und die Brockenstraße.

Es geht erst seicht hinauf, auf breiten Waldwegen, entlang der Holtemme.

Dann auf Pfaden immer steiler. Das erste Mal seit ich unterwegs bin, komme ich mal richtig außer Puste.

Der Weg ist richtig schön und gut ausgeschildert. Nur einmal nehme ich den falschen Abzweig, merke es aber schnell. Es ist so sumpfig, dass ich da sowieso nicht weitergekommen wäre.

Weiter oben begleiten mich noch die letzten Sonnenstrahlen auf meinem Weg.

Der Anblick ist allerdings schon ein bisschen traurig. Es sind zig Bäume abgeknickt und umgefallen. Die Massenvermehrung der Borkenkäfer durch wenig Regen und heiße Sommer ist hier ein echtes Problem. Das überleben viele Fichten nicht.

Dann, endlich, ist das Ziel in Sicht. 3,5 Kilometer und 200 Höhenmeter noch. Vorher hat sich der Brocken die ganze Zeit versteckt. Ob ich es wohl noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang schaffe?

Die letzte Stunde ist nicht mehr ganz so schön zu gehen. Die Brockenstraße ist asphaltiert, mit Sondergenehmigung dürfen hier auch Autos hochfahren. Jetzt kommen mir nur noch ein paar Mountainbikes entgegen geschossen.

Und dann ist es geschafft! Nass geschwitzt und überglücklich kann ich zumindest noch das Abendrot beobachten. Gegen 21:15 Uhr bin ich oben. Das waren dann heute insgesamt 30 Kilometer und 1000 Höhenmeter bergauf.

Wäre nur noch die Frage mit dem Schlafen zu klären. Hier oben sind 2 Gaststätten und das Brockenhotel. Außerdem noch eine kleine steinerne Schutzhütte. Da diese aber neben dem Hoteleingang liegt, warte ich lieber bis alle Leute nach drinnen verschwunden sind. Was nur leider bis 23 Uhr dauert bei dem schönen Sonnenuntergang und sternklarem Himmel.

Ich packe mich dick ein, mit allem was ich mithabe. In der Hütte ist entlang der Wand eine schmale Holzbank, sonst nichts. Da lege ich mich mit meinem Schlafsack drauf. Ich bin schön leise und da ringsherum Kies ist, höre ich auch, wenn jemand kommt. Wenn ich erwischt würde, wäre es aber bestimmt günstiger als eine Nacht in dem Hotel.

Zweimal gehen noch Leute vorbei und leuchten mich auch mit der Taschenlampe an. Sie scheinen sich aber nicht an mir zu stören. Schlaf finde ich trotzdem nicht viel. Es ist ziemlich hart auf der Bank und ich friere die ganze Zeit. Dafür beobachte ich die Sterne, lese noch ein bisschen was über den Brocken und gegen 4:30 Uhr wird es dann ja auch schon wieder hell.

Die Hütte, die übrigens Wolkenhäuschen heißt, wurde 1736 für Wanderer gebaut. Darin habe ich jetzt 283 Jahre später übernachtet.


30,5 km
6:55 h
993 hm
84 hm
1141 m