Gestern Abend habe ich mich mit einem Wanderer, der auch alleine unterwegs ist noch gut unterhalten. Wir haben uns dann auch nur zu zweit ein 8er Lager geteilt, es waren nicht viele Gäste da. Er hat mich heute beim Frühstück gefragt, ob ich ein Buch über mein Abenteuer schreibe – mal sehen!

Es ist traumhaftes Bergwetter. Regen kann ich auch bis zum Ende meiner Tour jetzt nicht mehr gebraucht, das Profil unter meinen Schuhen ist nämlich fast komplett abgelaufen inzwischen. Aber solange es trocken ist habe ich noch guten Halt.

Ich freue mich so sehr darauf, heute wieder aufzusteigen. Ziel ist die Rappenseehütte auf 2.091 Meter. Ich bin gespannt auf den Weg, gestern ist eine Kinder-Wandergruppe umgekehrt, weil ein großes Schneefeld abgebrochen ist und den Weg versperrt. Viele andere Wanderer sind aber trotzdem hoch gegangen. Anscheinend ist direkt jemand von der Hütte runter und hat einen Weg, den man gehen kann, mit Farbe markiert und Seile angebracht.

Los geht’s gegen halb 9. Der Weg führt mich zuerst durch den Wald, über Wurzeln und Steine bergauf. Vorbei an der Petersalpe und in Kehren über einen Hang mit niedrigen Büschen. Es sind einige Leute unterwegs. Manche sind froh, wenn sie die Enzianhütte erreicht haben, aber die meisten wollen auch zur Rappenseehütte.

Ich finde es immer so schön entspannt in den Bergen, die meisten Wanderer sind fröhlich und locker drauf. Man grüßt jeden und unterhält sich auch kurz mit vielen. Und vor allem duzt man sich hier immer, egal welches Alter.

In einer Kehre warte ich dann zusammen mit einem jungen Pärchen, die gerade absteigen, bis der Schäfer mit seinen 130 Schafen vorbeigezogen ist. Wir sollen uns möglichst weit in die Büsche stellen und uns ruhig verhalten, da sonst die Schafe nicht weitergehen. Es ist ein lustiges Bild, wie sich die Schafe auf dem schmalen Pfad den Hang hinunter drängeln.

Endlich bin ich dann hoch genug, dass ich die ersten Sonnenstrahlen abbekomme. Unten im Tal war so früh noch Schatten. Kurz vor der Enzianhütte suche ich mir ein schönes Plätzchen um kurz zu verschnaufen. Mit schönem Blick auf Oberstdorf und bis zum Grünten.

Das Stück vom Schneefeld und die Schneebrocken sind zwar ein bisschen abenteuerlich zu überqueren, aber es klappt gut. Vor und hinter mir sind noch mehr Wanderer und wir helfen uns gegenseitig, den richtigen Weg zu finden.

Heute klappt das bergauf gehen so gut, dass ich mich wundere, als auf dem nächsten Schild plötzlich nur noch 20 Minuten zur Hütte angegeben sind. Da war ich wohl recht flott unterwegs. Ich wünsche mir, nie wieder die Kondition zu verlieren, die ich inzwischen aufgebaut habe. Aber das wird wohl nicht funktionieren!

Mit einem älteren Pärchen zusammen gehe ich dann das letzte Stück die schmalen Kehren über die Wiese zur Hütte hinauf. Der Mann ist so begeistert von meiner Tour, er applaudiert schon mal, auch wenn ich morgen erst mein Ziel erreiche.

Die Hütte hat eine schöne Lage auf Grashügeln, direkt am Rappensee.

Ich bin schon um 13:30 Uhr oben und suche mir erstmal einen Platz auf der rappelvollen Terrasse. Die Rappenseehütte ist die größte Hütte des Deutschen Alpenvereins mit insgesamt 300 Schlafplätzen, Zimmer und Matratzenlager. Ab 14 Uhr werden die Schlafplätze vergeben, wer früh da ist, bekommt die besten Plätze. Solange warte ich noch, dann kann ich schon mal meinen Rucksack ablegen.

Allerdings habe ich ja jetzt noch den ganzen Nachmittag Zeit und nachdem ich nur 2,5 Stunden bis hierhin gebraucht habe, bin ich irgendwie noch nicht ausgelastet.

Das Pärchen mit dem ich schon hochgegangen bin, frage ich nach einfachen Gipfeln in der Nähe, sie kennen sich hier gut aus. Und dann geht’s nochmal los, ohne Rucksack, nur mit Fleecejacke und (Handy)Kamera bewaffnet.

Die beiden Hausberge, der Rappenseekopf und der Hochrappenkopf, die direkt gegenüber der Hütte liegen, sind beide bis zum Gipfel nur mit jeweils einer Stunde ausgewiesen. Und man kann auch eine Runde daraus machen, da ein Grat-Weg die beiden Gipfel verbindet. Von der Hütte geht es über die Wiese, am See vorbei und dann über ein großes Geröllfeld weiter hinauf. Beide Berge sind oben nur noch felsig, solche Gipfel mag ich.

Zum Rappenseekopf ist der Weg, der als einfach beschrieben war, dann finde ich aber doch schon etwas anspruchsvoller. Anfänger würde ich da nicht hochschicken. Es ist viel Kletterei über große Felsen auf einem teilweise ziemlich schmalen Grat. Ein schöner Weg, aber ich habe schon viel Respekt davor. Ich habe immer Papas Stimme im Kopf, die mich ermahnt, beide Hände die ganze Zeit am Fels zu lassen.

Hier treffe ich niemanden mehr und auch den Gipfel habe ich für mich alleine. Auf 2.469 Meter habe ich eine wunderschöne Aussicht. Die Grenze verläuft direkt über den Gipfel und ein kurzes Stück gehe ich auch auf österreichischer Seite. Aber da das ja eigentlich nicht zu meinem Weg gehört, ist das okay.

Nach einer kurzen Pause gehe ich dann auf der anderen Seite des Gipfels wieder hinunter und den Grat-Weg rüber zum Hochrappenkopf. Der 2.425 Meter hohe Gipfel ist rechts zu sehen. Dahinter (links) der hohe Berg ist der Biberkopf, der südlichste Gipfel Deutschlands.

Dafür reicht meine Kraft allerdings nicht mehr. Inzwischen merke ich schon meine Beine und frage mich, wieso ich mich nicht einfach an der Hütte ausruhe. Ich habe schließlich morgen auch noch einige Höhenmeter vor mir. Aber die beiden Gipfel sind schon echt schön, die Extrarunde hat sich gelohnt.

Auf dem Hochrappenkopf sind auch noch ein paar andere Wanderer, die ich vorher beim Aufstieg und an der Hütte schon getroffen habe. Wir steigen zusammen wieder ab und können auf dem Weg noch ein paar Steinböcke beobachten.

Wieder zurück an der Hütte bin ich völlig fertig. Jetzt ist alle Energie aufgebraucht. Ich habe gefrühstückt und sonst noch nichts gegessen heute. Jetzt habe ich ein riesiges Loch im Bauch und warm wird mir auch erst wieder nach einer Stärkung.

Es ist ein richtig schöner Hüttenabend. Die Stube ist voll und ich sitze mit einem einheimischen Pärchen und 2 Kripo-Beamten aus der Nähe von Berlin zusammen am Tisch. Wir haben echt viel Spaß. Später stehen wir noch zusammen draußen, um uns den herrlichen Sonnenuntergang anzuschauen.

Als wir fast erfroren sind, setze ich mich mit Niklas nochmal in die Stube und trinke eine heiße Zitrone zum Aufwärmen. Er wandert auch alleine und hätte mich morgen gerne begleitet, wenn er nicht schon die Kemptner Hütte gebucht hätte.

Trotz Müdigkeit halte ich es noch bis 21 Uhr aus. Im Lager sind wir heute zu sechst, wir quatschen noch ein bisschen, dann schlafe ich aber ziemlich schnell ein.


10,9 km
4:45 h
1522 hm
554 hm
2466 m